Oestrus post partum

Unerfahrene Halter_innen, die sich einen Wurf wünschen, stehen oftmals innerhalb kürzester Zeit vor einer Flut von Jungtieren. Grund dafür: Der postpartale Östrus.

Einige Nagetiere und Hasenartige sind mit einer Gabe ausgestattet, die maßgeblich zu steigenden Zahlen herrenloser Kleintiere in der Tiernothilfe beitragen: Die Fähigkeit, bereits wenige Stunden nach der Geburt der Jungtiere wieder trächtig zu werden. So ist sichergestellt, dass in freier Wildbahn während einer guten Saison mit großem Nahrungsaufkommen innerhalb kürzester Zeit möglichst viele Nachkommen produziert werden. In der Heimtierhaltung herrscht immer Hochsaison. Das bedeutet, dass eine Maus oder ein Zwerghamster grundsätzlich sofort nach der Entbindung wieder aufnahmefähig ist. Verbleibt das Männchen also während Trächtigkeit, Geburt und Aufzucht beim Weibchen, folgt noch vor Entwöhnung des ersten unverzüglich der zweite Wurf.

Zwar schütten auch Nagetiere beim Säugen der Jungen ein Hormon aus, welches einen erneuten Eisprung verhindert, jedoch wirkt dies erst ein bis zwei Tage nach der Geburt. Beobachtungen bei Farbmäusen zeigen, dass das Weibchen sechs Stunden nach der Geburt wieder aufnahmefähig ist. Und das für mindestens 24 Stunden.

Vielzitzenmaus Jungtiere
"Einmal Junge haben" ist der Traum vieler Halter

Die Folge

Schwangerschaft, Geburt und Aufzucht der Jungen sind für das Muttertier psychisch und physisch aufreibend. Eine doppelte Belastung durch eine direkte Neubelegung verdoppeln demnach auch den Stress für das Alttier. Der Mutter, die zeitweise zwei Würfe gleichzeitig säugen muss, ist dies auch deutlich anzusehen. Manche Halter_innen lassen Elterntiere mit dem Ziel der gemeinsamen Aufzucht teilweise sogar über mehrere kurz hintereinander folgende Würfe hinweg zusammen. Die allgemeine Meinung die vorherrscht: Nach dem dritten Wurf stellt das Paar die Vermehrung automatisch ein. Es wird davon ausgegangen, dass die Eltern selbst bestimmt auf einen weiteren Wurf verzichten. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Viel näher an der Wahrheit ist die Beobachtung, die man immer wieder machen muss: nach drei Würfen innerhalb von sechs Wochen kann ein Weibchen einfach nicht mehr. Ist körperlich so ausgelaugt, dass es nicht mehr zum Eisprung kommt.

Es ist der Gesundheit der Tiere als auch dem Erreichen der Zuchtziele nicht zuträglich, so viele Würfe kurz hintereinander zuzulassen. Muttertiere bauen stark ab, wenn keine adäquate Zuchtpause eingelegt wird. Oftmals sehen sie nach der Aufzucht vieler Würfe bedeutend älter aus, als sie eigentlich sind. Das kommt u.a. durch deutlichen Gewichtsverlust zustande. Körperlich und seelisch gesunde Muttertiere sollten für Züchter_innen und Vermehrer_innen eine Selbstverständlichkeit in der Zuchtpraxis sein. Aus diesem Grund sind kurz hintereinander folgende Würfe nicht zu empfehlen.

Ein weiteres Kontra-Argument ist die Qualität der Jungtiere: Bereits der zweite Wurf ist oftmals schon nicht mehr so kräftig, wie der vorangegangene. Der dritte Wurf fällt in Körpergröße des einzelnen Tiers als auch in der Individuenzahl meist noch kleiner aus.

Wer eine planvolle Zucht unterhält, wird die mehrmalige Verpaarung zweier Tiere ohnehin vermeiden. Ein Wurf pro Paar reicht vollkommen aus. Wer ein klares Zuchtziel erreichen möchte, wird die nächste Verpaarung eher mit einem Tier aus dem entstandenen Wurf planen.

Nagetiere vermehren sich rasend schnell
Nagetiere vermehren sich rasend schnell

Verhütung

Wie also vorgehen, wenn bei einer gemeinsamen Aufzucht des Zuchtpaares die direkte Neubelegung des Weibchens zu verhindert werden soll?

Wie schon eingangs erwähnt, ist das Weibchen wenige Stunden nach der Geburt nur für ein bis zwei Tage paarungsbereit. In diesem Zeitraum muss das Männchen aus dem Käfig entfernt werden. Da man bei Nagetieren den genauen Wurfzeitpunkt nie voraussehen kann, die Tiere sogar in der Lage sind, die Niederkunft über mehrere Stunden zurückzuhalten, bekommt der_die Halter_in von der Geburt der Jungen selten etwas mit und entdeckt einen Wurf erst, wenn er schon mehrere Stunden auf der Welt ist. Deshalb sollte nicht abgewartet werden, bis die Jungen geboren sind, sondern das Männchen schon vorher separiert werden. Es ist also von Vorteil, genau zu wissen, wann eine Paarung stattgefunden hat, um das Männchen einen Tag vor der Geburt (siehe Tabelle unten) aus dem Käfig zu entfernen. Je nach Tierart, reicht es aus, das Männchen in einen anderen Käfig zu bringen und nach Ablauf des Östrus wieder zum Weibchen zu lassen. Bei manchen Tierarten erkennen sich die Partner jedoch nach kurzer Zeit schon nicht mehr wieder. Grundsätzlich ist es also zu empfehlen, das Männchen in Blick- und Geruchkontakt nur durch ein Gitter vom Weibchen zu trennen (Anregungen siehe hier). Eventuell kann das Männchen bis zur kompletten Wiederzusammenführung mehrmals für kurze Zeit zu den Jungen gelassen werden, während das Weibchen herausgenommen wird. Nach kurzer Zeit beginnt die sterile Phase des Weibchens, nun können Vater und Mutter sich gemeinsam um die Jungen kümmern. Bis der Wurf entwöhnt ist, besteht wenig Gefahr einer erneuten Schwangerschaft

Ausnahmen

Beim Menschen gibt es Fälle von Müttern, die zwei Monate nach der Geburt des Kindes trotz Stillens und ausgebliebener Mensis wieder schwanger werden. Dies kommt natürlich auch bei Tieren vor. Der_die Halter_in sollte sich dieser Möglichkeit immer bewusst sein. Berichten zufolge ist besonders bei kleineren Würfen das Risiko einer Befruchtung noch während der Säugephase besonders groß.

Übrigens kommt es bei Rennmäusen relativ häufig vor, dass während des postpartalen Östrus befruchtete Eier im Eileiter bis zu 16 Tage aufbewahrt werden. So kann es also zu verlängerten Tragzeiten von 40 Tagen kommen

Tierart

Tragzeit

in Tagen     

Säugezeit

in Tagen  

Campbell-Zwerghamster   18-21 19-21
Dsungarischer Zwerghamster 19-21 20-23
Roborowski-Zwerghamster 19-21 21
Chinesischer Streifenhamster      21 21
Mongolische Rennmaus 24-28 (40) 28
Sinai-Stachelmaus 37-38  
Farbmaus 20-22 21-22
Farbratte 20-23 30
Degu 89-93 16-36
Chinchilla 110-112 40-45
Hausmeerschweinchen 65-70 16-22
Hauskaninchen 25-35 34-44

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