Purging

Ein sehr interessantes Phänomen aus der Populationsgenetik ist das sogenannte Purging (von purge = säubern). Es beschreibt einen Effekt, der bei dauerhafter Inzucht in Verbindung mit starker Selektion auftritt: Die Inzuchtdepression wird überwunden.

Im Normalfall geht man bei der Tierzucht davon aus, dass bei dauernder Inzucht irgendwann eine Inzuchtdepression einsetzt. Ist ein Stamm davon betroffen, nehmen Fruchtbarkeit, Immunabwehr und Lebensdauer immer weiter ab. Grund dafür ist, dass es kaum mehr zu einer Neukombination verschiedener Gene kommt, sondern die Tiere von Generation zu Generation immer reinerbiger werden. Dies betrifft auch die Gene die sich negativ auf die Gesundheit eines Tieres auswirken und im Normalfall heterozygot-rezessiv vorkommen. Betrachtet man Tiger in Gefangenschaft, entdeckt man in den rein weißen Linien bedingt durch die inzestuöse Zuchtpraxis sehr viele schielende Individuen mit Mopsköpfen.

unkontrollierte Inzucht führt oft zu kranken Beständen
unkontrollierte Inzucht führt oft zu kranken Beständen

Je kleiner also die genetische Variabilität eines Stammes, desto enger wird der sogenannte genetische Flaschenhals. Hier kann es nun zur sich immer weiter steigernden Inzuchtdepression kommen. Im besten Fall stirbt eine betroffene Population aus.

Es kann aber auch zu einem teilweisen oder vollständigen Purging kommen. Beim teilweisen Purging kommt es zuerst zu einer leichten Inzuchtdepression, pendelt sich dann aber wieder auf ein fast normales Maß ein.

Sehr interessant ist jedoch das vollständige Purging. Hier kann es unter anderem dazu kommen, dass eine Population die dauerhaft ingezüchtet wird, den genetischen Flaschenhals passiert, die Inzuchtdepression innerhalb weniger Generationen überwindet und im Anschluss sogar bessere Werte in Gesundheit, Lebensdauer und Fruchtbarkeit aufweist, als vor der Inzucht.

Grund hierfür ist, wie eingangs schon erwähnt, die starke Selektion auf Fitness. Die "schlechten" Gene verschwinden, sind also nicht einmal mehr heterozygot vorhanden, sodass die Tiere teilweise fitter sind, als ihre nicht ingezüchteten Vorfahren. Jedoch kommt es, wie in jeder Population, immer wieder zu Mutationen, in denen neue negative Gene entstehen.

 

Inzuchtdepression überwunden - alle Goldhamster gehen auf eine "Ur-Mutter" zurück
Inzuchtdepression überwunden - alle Goldhamster gehen auf eine "Ur-Mutter" zurück

Purging ist für die normale Heimtierzucht wenig interessant, da es sich hier meist um Arten handelt, die sehr häufig zu erhalten sind und bei denen Verpaarung nicht verwandter Tiere kein Problem ist. Jedoch kommt es immer wieder vor, dass Zoos (Przewalski-Pferde) und Privathalter_innen (Aalstrich-Klettermäuse, Hirschmäuse) eine Population einer Tierart mit wenig variablem Genpool haben und nichts anderes tun können, als Inzucht zu betreiben, um die Art nicht aussterben zu lassen. Hier ist also strenge Selektion angeraten.

Im übrigen gehen so gut wie alle Goldhamster, die in den letzten 80 Jahren weltweit als Haustiere gehalten werden auf nur ein Muttertier zurück. Erst in den letzten Jahren wurde sehr wenige Wildfänge eingekreuzt. Ohne Purging hätte die Art wohl nicht über so lange Zeit überstanden.


mehr zum Thema

Anmerkungen zur Inzucht (Absolut lesenswert für jede_n der_die sich mit Tierzucht auseinandersetzt)

http://de.wikipedia.org/wiki/Purging

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