Stellungnahme zum WDR-Beitrag über Einzelhaltung von Zwerghamstern

Am 25. März zeigte die Tiervermittlungssendung "Tiere suchen ein Zuhause" (WDR) einen Beitrag über die Gruppenhaltung von Zwerghamstern. Hierzu wurde als Expertin Gudrun Cappeller, von der "Hamsterhilfe NRW" interviewt. Diese Vereinigung nimmt nach eigener Aussage jährlich etwa 10 Hamster aus guter Haltung und 990 Hamster aus schlechter Haltung auf und kann unzweifelhaft auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen... was Tiere aus schlechter Haltung angeht.

Die Hauptaussage des nur wenige Minuten dauernden Beitrags fasst Frau Cappeller so zusammen: "Man kann keine Hamsterarten zusammen halten."
Eine mehr als fragwürdige Begründung wird gleich mitgeliefert: Gruppenhaltung ist stressig und lebensverkürzend. Wenn zwei Tiere zusammen sitzen und das eine den anderen putzt, sollten bei dem_der Halter_in die Alarmglocken schrillen. Das geputzte Tier lässt dies nur zu, weil es um sein Leben fürchtet. Es steht unter Dauerstress.
Wie kann das sein? Frau Cappeller verliert sich hierbei in einer Erklärung, deren wissenschaftliche Beleg nicht nur mich mehr als brennend interessieren würde: Das unterlegene Tier kuschelt sich an das dominante, um den "Rudelgeruch" aufrecht zu erhalten und Angriffe zu verhindern.
--> Das würde bedeuten, Tiere die sich nicht ständig berühren, würden keinen Gruppengeruch aufbauen.
--> Das würde auch bedeuten, dass wir es hier mit einer Tierart zu tun haben, die soziales Putzen an den Tag legt, obwohl eins der Individuen das andere angreifen will.
--> Das würde auch bedeuten, dass der unterlegene Hamster weiß, dass er seinem Artgenossen durch das aufrecht erhalten des Gruppengeruchs täuschen kann: Der Unterlegene hüllt sich in die Tarnkappe des Gruppengeruchs und im Bewusstsein über seinen Betrug (oder trotz dieser Strategie) ist er gestresst. Der dominante Partner scheint zu solchen intelektuellen Leistungen nicht fähig zu sein und greift nur an, wenn ein Tier den Gruppengeruch nicht hat.


Diese Argumentation würde bedeuten, dass von zwei Zwerghamstern immer einer die geistigen Leistungen eines Primaten besitzt und den Gruppengeruch bewusst einsetzen kann obwohl es sich dem anderen nicht zugehörig fühlt, während das andere Tier vom Stimulus des Gruppengeruchs vollkommen eingenommen wird und dadurch seine Aggression blockiert würde.
Außerdem ließe sich aus der Erklärung genau das Gegenteil von dem schließen, was die Hamsterhilfe NRW eigentlich propagieren wollte: Dass es sich bei Zwerghamstern um soziale Tiere handelt. Der Dominante greift nur an, wenn der andere nicht mehr den Geruch der Gruppe hat? Das kennen Halter_innen der unbestritten hochsozialen Rennmäuse, Farbmäuse und Farbratten nur zu gut.

Ganz unabhängig davon fragt sich der Zuseher, weshalb gerade bei einem Beitrag mit diesem Thema eine ganze Gruppe von Zwerghamstern gezeigt wird, die offensichtlich entspannt nebeneinander sitzt und frisst. Für die Hamsterhilfe NRW müssten diese Tiere doch tickenden Zeitbomben sein und unter massivem Stress leiden. Warum wurden sie nicht getrennt?

"Die Hamster sind wirklich glücklich allein"
Man fragt sich: Woher weiß Frau Cappeller das? Und wieso glaubt sie, so eine Aussage treffen zu dürfen?

 

Ich stimme absolut zu, dass unverträgliche Tiere, die aus unverträglichen Linien kommen, zu ihrem psychischen und physischen Schutz einzeln gehalten werden sollten. Aber sind die Tiere damit glücklich? Ist es wirklich sinnvoll, sich das sozial verstümmelte Produkt kommerzieller Massenvermehrung zu betrachten und damit auf eine gesamte Tiergruppe zu schließen? In Tierschutzvereinen werden selten Nagetiere abgegeben, die von Züchter_innen stammen. Wie schlecht die Bedinungen sind, unter denen die Tiere aufwachsen und leben mussten, bis sie in Hamsterhilfen kamen, wissen deren Freiwillige wohl am allerbesten. Wie kann man dann aber von diesen armen Tieren auf alle Zwerghamster schließen? Und sich nach den einseitigen und unüberlegten Aussagen auch noch zu diesem selbstherrlichen Satz hinreißen lassen: "Glauben Sie niemandem der ihnen versucht etwas anderes zu erzählen!"

Ganz unabhängig davon, dass in sakralem Dogmatismus eine unreflektierte Ansicht fernab jeglicher wissenschaftlicher Betrachtung und mit beengtem Horizont verbreitet wird, am meisten verärgert das schon seit Jahrzehnten fortdauernde und immer wieder neu aufflammende Züchterbashing. Im Beitrag heißt es: "Die Züchter [...] haben natürlich meistens immer (sic!) ein gegengeschlechtliches Pärchen..., die haben Nachwuchs und... die bekommen natürlich gar nicht mit, dass nach der Geschlechtsreife sich die Zwerghamster zerstreiten, weil dann sind die ja schon verkauft oder weggebenen".
Glaubt die Hamsterhilfe NRW denn, jemand der_die ein Hamsterpärchen hält und den produzierten Nachwuchs verkauft, sei ein_e Züchter_in? Frau Cappeller, glauben Sie, ich würde ein Paar oder eine Gruppe abgeben, wenn ich nur eine Sekunde zweifeln würde, ob die Tiere ein friedlich zusammen leben?
Tierschutzarbeit ist wichtig, Tierschutzarbeit ist gut und verdient Respekt und Spenden. Aber seriöse Züchter_innen verdienen ebenso Respekt. Wir wollen nicht reich werden, wir wollen nicht so viele Tiere so schnell es geht verkaufen, wir wollen nicht einfach mal eben Nachwuchs produzieren. Es wäre für eine_n Züchter_in sehr viel einfacher, Einzeltiere zu verkaufen. Das ist schneller, lukrativer und unkomplizerter. Man müsste nicht lange erklären, müsste keine geeigneten Gruppen zusammenstellen und könnte kurz nach dem Absetzen schon verkaufen. Seriöse Züchter_innen entscheiden sich für soziale Linien und für die Abgabe in Gruppenhaltung, weil erwiesenermaßen eben nicht alle Zwerghamster Einzelgänger sind und weil eine Gruppenhaltung schlicht gut funktioniert, wenn man auf die Tiere eingeht und einsieht, dass ein Zwerghamster eben nicht der einfach zu haltende strikte Einzelgänger ist, sondern ein sehr anspruchsvoller Hausgenosse, mit ausgeprägtem Sozialverhalten, bei dem es eben nicht möglich ist, zwei Tiere einfach mal so zusammen zu setzen. Wir sind zurzeit bei dem Stand, dass Paare und Gruppen als Jungtiere zusammengeführt am stabilsten sind, wir sind an dem Punkt dass bestimmte Rahmenbedingungen was die Haltung angeht, sich auf die Harmonie auswirkt und wir sind an dem Punkt dass Tiere, die mit dem einen Artgenossen nicht klar kamen, mit einem anderen Artgenossen bis ans natürliche Lebensende friedlich zusammen gelebt haben. Wer heute zwei männliche Farbmäuse zusammensetzt, muss sich nicht wundern, wenn sie sich halb tot beißen. Aber wer danach behauptet, alle Farbmäuse seien strikte Einzelgänger wird wohl von niemandem ernst genommen.

Liebe Frau Cappeller, liebe Hamsterhilfe NRW und lieber WDR: Wenn sie einen Aufklärungsbeitrag in einer Tierschutzsendung einspielen wollen, dann sollten Sie selbst auch aufgeklärt sein. Sie alle haben sich mit diesem Beitrag zum Helfershelfer der kommerziellen Massenproduktion gemacht. Statt darauf aufmerksam zu machen, dass man mit einem Kauf im Zoogeschäft die Vermehrung asozialer und psychisch verkrüppelter Tiere unterstützt, in der Paare dauerhaft in kleinen Boxen aufeinandersitzen und in der Jungtiere mit drei Wochen von der Mutter getrennt werden, erklären Sie ein durch dieses System entstandene Verhalten als natürlich und treten auch noch gegen diejenigen, die mit Herz und Verstand an einer gesunden Population arbeiten.
Mit keinem Wort wurde davon abgeraten, ein massenproduziertes Tier zu kaufen. Aber einem_einer Züchter_in, der_die einen Großteil seiner_ihrer Freizeit damit verbringt, das Hamsterwesen voran zu bringen, kein Wort zu glauben, für diesen Rat sind Sie sich nicht zu schade.


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Kommentare: 10
  • #1

    Mel (Dienstag, 27 März 2012 20:29)

    ja das trift es wohl sehr gut!!
    ich finde es anmaßend infos über hamsterarten herauszuschreien, die man selber nicht versteht und mit rennmäusen gleich setzt. ihr sotzialgefüge ist ganz anders aufgebaut wenn vieleicht in den ansätzen ähnlich. aber würde ich meine hamster in einzelhaltung vermitteln anchdem ich sie hier ja gute 2 moante oder länger in der gruppe integriert habe so würden sie sich grämen, währen im dauerstreß weil der gruppenschutz fehlt und würden evtl sogar bissig/teritorial werden aus ihrer angst heraus weil keiner bei ihnen ist der ihre sprache spricht und ihnen trost, schutz und kuschelkontakt bietet

    lg mel

  • #2

    Nadine Conrad (Mittwoch, 28 März 2012 08:16)

    jawohl! die Dame sollte sich lieber mal überlegen ob sie überhaupt mit ihrem "Wissen" also Pflegestelle geeigent ist .. eine Schande für alle Züchter, Pflegestellen und Halter, die wirklich Ahnung haben und die es richtig machen !
    ich bin wirklich entsetzt... wie kann man nur so stumpfsinnig sein... man merkt sie hat sich überhaupt nicht mit dem Sozialverhalten der Campbells beschäftigt..ist ja auch einfacher von andenren Tierarten darauf zu schließen.. warum sich also selbst Gedanken und Mühe machen? ... mir gruselts gewaltig...

  • #3

    zebra (Mittwoch, 28 März 2012 13:28)

    Danke! für dieses Statement.
    Ich bin schon länger ehrenamtlich im Tierschutz tätig und kann aus eigener Erfahrung sagen: Selbst Notfall-Tiere sind manchmal sehr sozial und bruachen sogar ihren Kumpel. Ich hatte eine Gruppe mit 2 männlichen Campbells, Herkunft, Alter völlig unklar. Die beiden waren ein Herz und eine Seele, als der Partner verstarb wurde der verbliebene aufgrund von zurückziehendem Verhalten neu vergesellschaftet mit gleich 2 unbekannten. Das Tier blühte auf und die 3 kamen super zurecht.

  • #4

    Katharina (Donnerstag, 29 März 2012 12:06)

    Sehr gut!
    Allerdings wird der "Züchter", egal welchen Status er sich erfreuen mag, IMMER seitens der Tierschützer in die "unterste Sphäre" verbannt....

    Herzliche Grüße
    K.

  • #5

    Claudia M. (Freitag, 30 März 2012 19:06)

    Danke Stefan ,sehr gut beschrieben .
    Ich kann Verallgemeinerungen nicht leiden ,es gibt immer zwei Seiten einer Medallie . Sowohl Züchter als auch Hamsterhilfen haben ihre Berechtigung.

  • #6

    Stephanie (Sonntag, 08 April 2012 18:44)

    Klasse Stellungnahme zu diesem Irrsinn! Ich selbst WAR eine skeptische Hamsterhalterin, als ich vor drei Wochen meine 4 Campbell Jungs beim Züchter! abgeholt habe und siehe da, es ist wunderbar! Sie verstehen sich super!!! Weiter so, Stephanie

  • #7

    Linda (Donnerstag, 03 Mai 2012 21:34)

    Was für eine tolle Stellungnahme Stefan. Erwarte von dir aber auch nichts weniger Fundiertes! DAUMEN HOCH!!!

  • #8

    Sabrina K (Sonntag, 18 November 2012)

    Wenn ich sowas im Fernsehen immer höre, könnts einem echt schlechte werden! Und sowas wird auch noch verbreitet...so ein Irrwissen und auch noch von einer anerkannten Pflegestelle. Da muss man sich nicht wundern, wenn immer so viel in der Tierhaltung falsch gemacht wird, wenn man sowas im Fernsehen sieht.

    Früher hat man auch geglaubt Kaninchen und Meerschweinchen verstehen sich gut und wären klasse als Partner geeignet füreinander. Dies wurde ja nun oft genug wiederlegt.

    Nun ist es auch Zeit den Irrglauben "Alle Hamsterarten wären Einzelgänger" offiziell zu wiederlegen.
    Man sollte nicht, aus Angst es könnte missverstanden werden, einfach das Gegenteil behaupten und alle Hamster in ein einsames Leben verbannen.

    Ich denke die Hamsterhilfe hat Angst davor, dies publik zu machen, weil es einfacher ist, alle Hamsterarten als Einzelgänger darzustellen. Es ist einfacher Hamster einzeln zu halten und die Leute darin zu beraten anstatt auf das komplexe Sozialsystem von Zwerghamstern einzugehen. Außerdem müssten die Hamsterhilfen in so einem Fall auf Züchter verweisen, denn im Zooladen bekommt man ja keine gut sozialisierten Tiere, und wir wissen ja alle wie die Hamsterhilfen zu den Züchtern stehen. Bei denen ist Zucht Tabu, egal wie gut der Züchter auch zu sein scheint.

    Kleine Frage; Hast du diesen Artikel de WDR zukommen lassen?

    glg

  • #9

    ratfrett (Montag, 19 November 2012 00:49)

    Hallo Sabrina
    Nein, ich habe dem Sender und der Redaktion diesen Text nicht geschickt. Für mich ist das Thema mit dieser Veröffentlichung hier erledigt.
    Es steht jeder_jedem frei, diese Seite zu verlinken. Vielleicht hat es ja jemand getan.

  • #10

    Aloha22 (Montag, 04 August 2014 18:45)

    Die sog. Experten der Hamsterhilfe sind zum Großteil fanatische Besserwisser mit Halbwissen. Sie meinen sie sind praktisch schon mit Hamsterwissen zur Welt gekommen und sprechen jedem anderen Menschen - auch denjenigen die schon Jahrzehnte lange Hamstererfahrung haben - jegliche Kompetenz ab.
    Mittlerweile gehen sie soweit, daß sie bei der Vermittlung des Hamsters bereits die Marke des Laufrades als auch die Art der Einstreu vorschreiben.
    Ein Rad muß groß genug sein um Rückenbeschwerden vorzubeugen, qualitativ hochwertig sein usw. und die Einstreu sollte tiergerecht sein, aber hier gibt es mehrere vernünftige mögliche Lösungen.

    Gute Ratschläge zur Haltung eines Tieres sind immer wertvoll, denn die Tiere sollen es ja gut haben.
    Aber krankhaftes Fanatikertum und diktatorisches Vorgehen ist abstossend. Auch bei jeder vernünftigen artgerechten Tierhaltung kann es hier und da schon mal einen kleinen Meinungsunterschied geben, denn niemand hat das Wissen für sich alleine gepachtet. Letztendlich sind es alles nur Meinungen die erlesen/gelernt wurden oder Erfahrungswerte. Niemand kann behaupten er hätte die allein selig machende Lösung.

    Ich halte die Damen der Hamsterhilfe NRW durchweg für fanatisch aber nicht unbedingt immer fachkundig. Durch ihr oberlehrerhaftes arrogantes Gehabe schrecken sie wirkliche Hamsterexperten und -liebhaber ab bei denen die Tierchen ein gutes Zuhause fänden und verlängern die Verweildauer der zu vermittelnden Hamster unnötig.
    An wirklichen Hamsterexperten, die auch Mal eine abweichende Meinung zu einzelnen Punkten der Haltung haben, ist man nicht interessiert.
    Man möchte "Wissen" zur Schau stellen und preferiert Jasager ohne Wissen, die jeden Unfug glauben und mitmachen.

    Teilweise sitzen die Tiere Ewigkeiten bei den Pflegern, weil diese ohne Grund über-pingelig bei der Vermittlung sind.

    Ich selbst halte seit 20 Jahren Hamster und habe mehrfach versucht einem Tierchen aus der Hamsterhilfe ein Zuhause zu geben.
    Aber nachdem die penetranten Pflegerinnen bereits am Telefon so abstossend waren und ich mir vorkam wie ein Kleinkind " Sie mögen ja bereits 20 Jahre Hamster gehalten haben aber wir wissen totzdem alles besser........, denn ......etc." habe ich beschlossen diese Hamsterhilfe nie wieder zu kontaktieren.
    Schade für die Tiere aber so von oben herab lasse ich mich nicht behandeln. Schon gar nicht von Damen die meinen nur weil sie seit 3 oder 5 Jahren Hamster zur Pflege aufnehmen einfach alles zu wissen.................

    Es scheint die Hamsterhilfe Pfleger/innen haben ein Hamsterbuch gelesen und das ist nun Gesetz und damit sind sie allwissend. Einfach nur unsympathisch und zum Nachteil der armen Tiere.