Zuchtsystem für Zwergmäuse

Wildlebende Eurasische Zwergmäuse (Micromys minutus) sind größtenteils einzelgängerisch unterwegs. Es besteht nur sporadischer Kontakt im Grenzbereich der individuellen Territorien. In der warmen Jahreszeit finden Männchen und Weibchen für eine kurze Dauer zusammen, trächtige Weibchen dulden selten Artgenossen in ihrer Nähe und reagieren mitunter hochaggressiv. Nach der Entwöhnung gehen auch die Jungtiere relativ bald ihre eigenen Wege.

Die Nachzucht von Zwergmäusen ist relativ produktiv. Die Tiere sind genügsam und paaren sich ohne größeres Zutun durch den Menschen. Dennoch gibt es einige Probleme, die bei permanenter Paarhaltung oder auch Gruppenhaltung auftreten können. Um Verletzungen, dauerhafte körperliche Erschöpfung oder den Verlust von Tieren zu verhindern und eine konstant laufende Zucht mit guten Aufzuchtquoten zu erreichen, sollte man einiges beachten.

Problem: Zuchtgruppen

Von der Zucht anderer Mäuseartiger ist man es gewohnt, einfach mit einer kleinen Zuchtgruppe zu starten und alle Tiere in einem gemeinsamen Käfig zu halten. Bei Eurasischen Zwergmäusen geht dies meistens nur so lange gut, bis das erste Weibchen trächtig ist. So freundlich die Tiere auch aussehen mögen: Insbesondere werdende Mütter können echte Biester sein und Artgenossinnen bis zu deren Tod verfolgen. Auch Männchen zeigen untereinander ein gesteigertes Maß an Aggression, wenn geschlechtsreife Weibchen anwesend sind. Zuchtgruppen sind also immer mit Ausfällen verbunden. Zuchttiere stressen oder verletzen sich gegenseitig, es kommt selbst in sehr großen reich strukturierten Volieren zu Todesfällen und die Aufzuchtquote ist schlecht.

Problem: dauerhafte Paarhaltung

Etwas weniger problematisch ist die Haltung von Paaren, da sich die Aggressivität von erwachsenen Zwergmäusen vor allem auf Geschlechtsgenossen konzentriert. Die Aufzuchtquote ist bei der Paarhaltung ist im Vergleich zur Gruppenhaltung relativ groß. Dennoch kann es vorkommen, dass trächtige Weibchen ihren Partner angreifen.
Ein weitaus problematischerer Aspekt der dauerhaften Paarhaltung ist jedoch der Umstand, dass Tiere sich sofort nach einem Wurf wieder paaren (Oestrus post partum) und Weibchen somit dauerträchtig sind. Das führt vor allem zu erschöpften Weibchen, die immer schwächere Würfe aufziehen und deren Lebenserwartung drastisch sinkt.

lösung: Rotation

Für eine gut laufende Zucht mit nachvollziehbaren Würfen und regelmäßigem Nachwuchs empfiehlt sich ein Rotationsprinzip. Dieses wird im Folgenden sehr vereinfacht erläutert. Natürlich ist es auch möglich, Intervalle zu vergrößern, Pausen einzulegen in denen weibliche Nachkommen länger bei der Mutter verbleiben oder mehr als als die vorgeschlagenen vier Zuchttiere gleichzeitig einzusetzen.
Ausgegangen wird zunächst von einem geschlechtsreifen Männchen und drei ausgewachsenen Weibchen. Für dieses System sind sechs Terrarien einzuplanen: Eines für jedes Zuchttier und zwei für den Nachwuchs.

Phase 1 (Tag 1 bis 18)

Weibchen 1 (W1) wird zum Männchen gebracht. In der Regel paaren sich die Tiere innerhalb kürzester Zeit, sodass nach etwa drei Tagen von einer geglückten Befruchtung auszugehen ist. Genauere Informationen zu Paarung finden sich im Haltungsbericht.
Nach der zweiten Woche kann das trächtige Weibchen das Männchen verbeißen. Jetzt, spätestens aber vor dem Wurf (Tragzeit 17 - 20 Tage) sollte das Männchen vom Weibchen getrennt und in das freie Terrarium überführt werden.
W1 hat nun ausreichend Ruhe, um ein Wurfnest zu bauen.

Phase 2 (Tag 18 - 43)

Das Männchen sich sollte etwa eine Woche allein in seiner neuen Umgebung eingewöhnen, bis Weibchen 2 (W2) zu ihm gesetzt wird. Paarung, Trächtigkeit und Trennung erfolgen wie in Phase 1 beschrieben.
Zwischenzeitlich erfolgt bei W1 die Geburt, Aufzucht, Entwöhnung und das Absetzen der Welpen. 

 

Phase 3 (Tag 44- 68)

Das Männchen wird nach wiederum einer Woche Eingewöhnung in einem eigenen Terrarium mit Weibchen 3 (W3) verpaart.
Zwischenzeitlich erfolgt bei W2 die Geburt, Aufzucht, Entwöhnung und das Absetzen der Welpen. 
W1 hat in dieser Zeit eine kurze Erholungspause allein.


Am Ende der Phase 3 haben wir nach etwa 68 Tagen vier erwachsene Tiere in vier Terrarien:

- W3 steht kurz vor einem Wurf
- Der Wurf von W2 ist entwöhnt und kann abgesetzt werden. W2 sitzt einzeln.

- Die Jungtiere von W1 sind geschlechtsreif und sollten nach Geschlechtern getrennt untergebracht sein. W1 kann wieder belegt werden.
- Das Männchen sitzt einzeln.

Entwicklung der Jungtiere

Tag 0 Geburt
Tag 1 - 2 Haarspitzen treten durch die Haut
Tag 2 - 7 Kopf und Körperoberseite sind vollständig behaart
Tag 8 - 10 Bauchfell ist vollständig entwickelt, Durchbrechen der Zähne, Öffnen der Augen
Tag 11 - 12 Erste Ausflüge in die nähere Nestumgebung
Tag 14 - 16 Erste Aufnahme fester Nahrung
Tag 17 - 20 Entwöhnungsphase
Tag 21 - 29 Absetzen
Tag 30 - 45 Geschlechtsreife

Nachbemerkungen

Ein solches Zuchtsystem bringt innerhalb eines Vierteljahres durchschnittlich 12 - 18 Jungtiere. Eurasische Zwergmäuse sind mal mehr und mal weniger gefragt. Selbst die Zucht in diesem kleinen Rahmen ist mit Aufwand bei der Abgabe der Jungtiere verbunden.

Es ist sinnvoll, die Zuchttiere regelmäßig zu ersetzen. Nach dem zweiten Wurf kann ein Weibchen zusammen mit einer Tochter abgegeben werden. Auch der Austausch einzelner Zuchttiere bedeutet Anstrengungen für den_die Züchter_in. Die Zucht mit einer größeren Zahl an Stammtieren kann dies vereinfachen, bedeutet jedoch auch mehr Nachkommen pro Quartal. 

Bei regelmäßiger Nachzucht lohnt es sich, mit der zuständigen Naturschutzbehörde eine Vereinbarung zu treffen, nach der einmal jährlich ein Zuchtbuch vorgelegt werden muss. Damit bleibt Halter_in und Amt die An- und Abmeldung jedes einzelnen Tieres erspart.

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