Ernährung von Akazienratten

Selten lässt sich in der Tierhaltung eine Fütterung realisieren, die exakt den Bedürfnissen der Pfleglinge entspricht. Es fehlen Informationen über die genauen Ernährungsgewohnheiten in freier Wildbahn, Futtermittel sind nicht zu beschaffen oder der finanzielle Aufwand ist zu groß. Die Ernährung in Zoo- und Heimtierhaltung ist also oftmals eine Ersatzdiät.  

Wie schon häufig auf dieser Webseite erwähnt, hat sich bei einem signifikanten Teil der Kleintierhalter_innen ein Umdenken zu einer „naturnahen“ Haltung und Ernährung entwickelt. Statt pelletiertem Alleinfutter erhalten Mäuse, Hamster und Meerschweinchen mittlerweile eine große Palette an Futtermitteln die sich möglichst an den artspezifischen Bedürfnissen orientiert. Es gibt Facebook-Gruppen, die sich über das Sammeln von Grünfutter für Degus und Kaninchen oder die Verfütterung von ganzen Futtertieren an Frettchen austauschen.
In der Ratgeberliteratur bildet oftmals eine Perspektive auf die natürliche Lebensweise und damit auch die natürliche Ernährung der besprochenen Art eines der ersten Kapitel. Der Wille "naturnah" oder "biologisch artgerecht" zu füttern, ist weit verbreitet.
Auch im Fall der seit etwa 15 Jahren in europäischen Haltungen verbreiteten Akazienratten (Thallomys) ist in Haltungsempfehlungen häufig auf die Lebensweise im natürlichen Habitat eingegangen worden. Dennoch scheint sich die Fütterung bis heute nicht in erster Linie an lange bestehenden Erkenntnissen zu orientieren.

Ernährung im Habitat

Freilanduntersuchungen zeigen, dass Akazienratten ihren Namen zurecht tragen. Vertreter der Gattung sind vor allem in Akazienbäumen zu finden, welche sie kaum verlassen. Karantanis et al (2017) erklären:

The acacia rat Thallomys paedulcus is a small arboreal rodent, extensively dependent on Acacia sp. trees."

Ebenso verweisen mehrere Quellen darauf, dass Thallomys-Arten in erster Linie Blattfresser (folivor) sind. So stellen Meyer et al (2008) klar: Diet analyses shows that they are folivorous, specializing on leaves of Acacia mellifera and Acacia luederitzii". (siehe auch Eccard et al 2004).

 

Perrin erklärt für die gesamte Gattung: These rats feed on the young leaves and twigs of Acacia trees" beziehungsweise „Primarily leaves and shoots of the trees where they live” (2013a, S. 556) und für Thallomys paedulcus etwas konkreter: "The principal food is fresh young leaflets and green twigs of Acacia trees and, less frequently, Acacia flowers, the green or outer coating of Acacia pods and the berries of Zizyphus macronata." (2013b, S. 562).
Zu Thallomys nigricauda macht Nel (2013) ähnliche Angaben: “Young leaves, buds, the outer tunic of Acacia seed pods and gum obtained from grooves that the rats make by gnawing" sowie "occasionally insects"(ebd. S. 560).

 

Downs et al (2003) nennen Akazienratten in Bezug auf die vorwiegende Ernährung mit Akazienblättern einen Nahrungsspezialisten (vgl. ebd. S. 845), während Perrin (1986) darauf hinweist, dass der Magen von Thallomys paedulcus einer der komplexesten unter den Nagetieren ist (vgl. ebd. S. 235).

 

Die Studien charakterisieren die Akazienratte also eindeutig als ein folivores Nagetier. Die Ernährung besteht zum allergrößten Teil aus jungen Blättern und grünen Trieben von Akazienarten. Ferner werden Knospen und Blüten sowie Säfte von Akazien, Früchte und Insekten aufgenommen. Der Verdauungstrakt ist an diese spezialisierte Ernährungsweise angepasst.

Fütterungsempfehlung in der Literatur

Etwa seit der Jahrtausendwende werden Akazienratten (Thallomys) durchgehend in Europa gehalten und es entstanden einige wenige Haltungsberichte. Zwar wurde hier auch hin und wieder auf die natürliche Ernährungsweise hingewiesen, jedoch spiegeln die Fütterungsempfehlungen diese nicht wieder. Auch wenn eine Fütterung mit Akazienblättern kaum umsetzbar ist, wird jedoch nur selten die ersatzweise Fütterung mit alternativen Blättern und Zweigen empfohlen.

Einer der ersten veröffentlichten Texte erklärt, dass Akazienratten sich vorwiegend von "Blättern, Knospen und Früchten über Rinde und Baumharz bis hin zu Insekten und anderem Getier" ernähren, in der Heimtierhaltung jedoch sehr anpassungsfähig sind und damit "„Futtermischungen für Hamster, Ratten oder Rennmäuse [...] durchaus nutzbar“ seien. Pellets würden indes „kaum angenommen“. (Schultz & Simon 2005, S. 20)

 

Schumacher (2005) empfiehlt die tägliche Fütterung von süßem Obst. Stets verfügbar sei „eine Mischung aus Hamster-, Wellensittich- und Igelfutter". Auch Sistermann (o.J.a) nennt "Kleinsämereien und Obst" beziehungsweise "Wellensittichfutter [...], welches durch Obst ergänzt wird" (Sistermann o.J.b; vgl. auch Sistermann 2014, S. 78). Ehrlich (2006) nennt süßes Obst als Grundfutter und ferner Salatgurke, Endivie sowie eine Mischung aus Zwerghamster-, Goldhamster- und Rennmausfutter (ebd. S. 125).
Zudem wird immer auch die Gabe von Protein in Form von Insekten, Katzentrockenfutter oder Eifutter empfohlen.

Die detailliertesten Angaben machen Schultz & Simon (2005): „jede Art von Sämereien (Hirse, Wildkräuter-, Exoten-, Sittichmischung, Leinsamen, Hafer etc.) bis hin zu Papageienfutter inklusive Nüssen. [...] Gamma-Garnelen, Katzen- und Hunde-Trockenfutter, Insektenschrot, Heuschrecken und Mehlwürmer. Hinzu kommen Früchte, manches Gemüse, Müsli ohne Zucker, Nagerstangen, Kolbenhirse und Grünes aller Art“ (ebd. S. 20).

 

Es zeigt sich also deutlich, dass bis auf die Endivie bei Ehrlich (2006) und "Grünes aller Art" (Schultz & Simon 2005) als letzte Nennung einer langen Reihe von angebotenen Futtermitteln kaum eine folivore Ernährung von Akazienratten angestrebt wird, sondern die Tiere eher als omnivor angesehen und behandelt werden. 

Akazienratten folivor ernähren

Wie bereits erwähnt, ist eine ausschließliche Fütterung von Akazienratten mit Akazienblättern kaum umsetzbar. Jedoch sollte das nicht davon abschrecken, sich bei der Fütterung möglichst an den natürlichen Bedürfnissen der Tiere zu orientieren.

So haben gute Erfolge bei der Haltung der auf Blätter spezialisierten Rotschenkel-Kleideraffen (Pygathrix nemaeus) gezeigt, dass auch tropische Arten mit einheimischen Blättern oder Salaten ernährt werden können (vgl. Vančatová et al 2018).

Ebenso sind mit Kaninchen, Meerschweinchen, Chinchilla und Degu schon lange Tierarten in der Heimtierhaltung anzutreffen, die unter natürlichen Bedingungen vor allem Gräser, Kräuter und Blätter zu sich nehmen. Es liegt nahe, die Ursache für Zahnprobleme, die bei den vier genannten Arten immer wieder ein Thema sind, nicht in der Auslese der Züchter_innen zu suchen, wie es häufig noch vorkommt, sondern in der unsachgemäßen Fütterung. Somit hat sich auch hier ein Umdenken eingestellt und immer mehr Halter_innen bieten nun regelmäßig eine große Auswahl frisches Grünfutter an, das von den Tieren sehr gerne angenommen wird. Eine gleiche Vorgehensweise ist auch für die Ernährung von Akazienratten empfehlenswert. Jahreszeitlich bedingt, ist es nicht immer möglich, den Tieren belaubte Zweige anzubieten. Ebenso ist die Beschaffung je nach Wohnlage oftmals nicht einfach. Dennoch lässt sich mit etwas Mühe eine folivore Ernährung für Akazienratten umsetzen. Diese wird von den Tieren sehr gut angenommen.

Ich biete meinen Tieren täglich frisches Grünfutter an. Je nach Saison besteht dies aus Blättern, Kräutern, Salat und Gräsern. Im Sommer werden belaubte Zweige von Obstbäumen, Weide, Hasel, Hainbuche, Pappel, Eberesche, Linde und Himbeere gut angenommen. Ebenso junge Blätter von Birke und Erle. In der kalten Jahreszeit tragen häufig noch Hagebutte und vor allem Brombeere noch Blätter. (siehe auch Kräh 2017)

Darüber hinaus ist auch die Fütterung mit Gräsern und Kräutern wie etwa Gänseblümchen, Hirtentäschel, Klee, Löwenzahn, Luzerne, Vogelmiere, Wicken und Winden möglich (vgl. Kräh 2011). Garten- und Balkonpflanzen wie etwa Malven, Rosen, Kapuzinerkresse, Stiefmütterchen und Hornveilchen werden ebenso angenommen wie Schönpolster/Kalisie und Zebra-Ampelkraut, die als Zimmerpflanzen kultiviert werden. (vgl. Kräh 2015)

Gerade im Winter kann auch auf verschiedene Salate, Gemüseblätter, Keimlinge, Sprossen oder Küchenkräuter zurückgegriffen werden. (vgl. Kräh 2018)

Zusätzlich erhalten die Akazienratten täglich Großsittichfutter und Obst. Hinzu kommen regelmäßig Rattenpellets, Nüsse, Kürbiskerne, Insekten und Eifutter.

mehr

 

Downs, C. T., P. M. McDonald, K. Brown & D. Ward (2003): Effects of Acacia Condensed Tannins on Urinary Parameters, Body Mass, and Diet Choice of an Acacia Specialist Rodent, Thallomys Nigricauda. In: Journal of Chemical Ecology, Vol. 29 (4). S. 845–858

Eccard, J. A., J. Meyer, J. Sundell (2004): Space Use, Circadian Activity Pattern, and Mating System of the Nocturnal Tree Rat Thallomys nigricauda.
Journal of Mammalogy, Vol. 85 (3). S. 440–445.
https://doi.org/10.1644/BEM-039

Ehrlich, C. (2006): Kleinsäuger im Terrarium.
Natur- und Tierverlag

Karantanis, N.-E, L. Rychlik, A. Herrel & D. Youlatos (2017): Arboreality in acacia rats (Thallomys paedulcus; Rodentia, Muridae): gaits and gait metrics.
Journal of Zoology. Vol. 303 (2). https://doi.org/10.1111/jzo.12473

Kräh, S. (2011): Gräser und Kräuter sammeln. https://ratfrett.jimdo.com/2011/05/05/gr%C3%A4ser-und-kr%C3%A4uter-sammeln/

Kräh, S. (2015): Zimmerpflanzen als Futterpflanzen. https://ratfrett.jimdo.com/2015/09/30/zimmerpflanzen-als-futterpflanzen/

Kräh, S. (2017): Blätter von Bäumen und Sträuchern. https://ratfrett.jimdo.com/2017/03/14/bl%C3%A4tter-von-b%C3%A4umen-und-str%C3%A4uchern/ 

Kräh, S. (2018): Winterfütterung von Folivoren. https://ratfrett.jimdo.com/2018/02/21/winterf%C3%BCtterung-von-folivoren/

Meyer, J., D. Raudnitschka & R. Brandl (2008): Biology and ecology of Thallomys nigricauda (Rodentia, Muridae) in the Thornveld savannah of South Africa.
Mammalian Biology - Zeitschrift für Säugetierkunde, Vol. 73.

Nel, J. A. J. (2013):Thallomys nigricauca Black-tailed Acacia Rat (Black-tailed Thallomys). In: Kingdon, J., D. Happold, T. Butynski, M. Hoffmann, M. Happold, J. Kalina: Mammals of Africa. Bloomsbury, London S. 560 - 561.

Perrin, M. (1986): Gastric anatomy and histology of an arboreal, folivorous, murid rodent; the black-tailed tree rat, Thallomys paedulcus (Sundevall, 1846). Zeitschrift für Säugetierkunde.

Perrin, M. (2013a): Genus Thallomys. In: Kingdon, J., D. Happold, T. Butynski, M. Hoffmann, M. Happold, J. Kalina: Mammals of Africa. Bloomsbury, London. S. 556 – 557

Perrin, M. (2013b):Thallomys paedulcus Sundevall's Acacia Rat (Acacia Thallomys). In: Kingdon, J., D. Happold, T. Butynski, M. Hoffmann, M. Happold, J. Kalina: Mammals of Africa. Bloomsbury, London S. 561 - 562.

Schuhmacher , S. (2005): Akazienratte. http://www.rodent-info.net/akazienratte_allgemeines.htm

Schultz, K. & K. Simon (2005): Akazienratten (Thallomys paedulcus). RODENTIA 25, Mai/Juni 2005, S.18-21.

Sistermann , R. (o.J.a): Akazienratte. https://cdn.website-editor.net/458e05b73acf4b209a202067743fa0e8/files/uploaded/Akazienratte.pdf

Sistermann , R. (o.J.b): Akazienratte. https://www.exotische-kleinsäuger.de/akazienratte

Sistermann , R. (2014): Die Ratte mit dem Augenring. Haltung und Nachzucht der Akazienratte. RODENTIA 80, Juli/August 2014. S. 76-78.

Vančatová, M., A. Franková & V. Vančata (2018): Rotschenkel-Kleideraffen im Zoo Chleby - Ein Jahr danach. Eliomys 3/2018. Bundesarbeitsgruppe Kleinsäuger.