Degu

Degus (Octodon degus) sind seit etwa 30 Jahren in der Heimtierhaltung bekannt und das erste deutschsprachige Buch über die Degus als Hausgenossen wurde bereits 1990 herausgegeben. Die Geschichte der Deguhaltung in Europa ist jedoch um einiges länger. Es handelt sich beim Degu viel mehr um eines der ältesten Zootiertiere. Laut der Datenbank zootierliste.de erhielt die Menagerie des 13th Earl of Derby im englischen Knowsley bereits 1851 drei Degus aus Südamerika. Also nur 24 Jahre nachdem die berühmte Giraffe Zarafa in Frankreich landete. Wenig später zeigte auch der Londoner Zoo vier Degus (1868), die erfolgreich nachzogen und auch das Aquarium unter den Linden in Berlin hielt die Art von 1869 bis 1871.
Auch der Zoo Frankfurt hatte Ende des 19. Jahrhunderts etwa für ein Jahr Degus in der Ausstellung, bis sie erst in den 1960er Jahren wieder auftauchten. Ob in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Degus importiert oder in Zoos gehalten wurden, lässt sich aus den Daten von zootierliste.de nicht ableiten.
Ab 1976 wurde die Art dann im Berliner Tierpark und im Antwerpener Zoo gehalten. In Westdeutschland wieder ab 1988 im Berliner Zoo. Zu dieser Zeit waren Degus bei einem kleinen Kreis privater Nagetierexpert_innen jedoch schon relativ beliebt.

biologie

Der Degu ist ein vergleichsweise kleiner Vertreter der Meerschweinchenverwandten (Caviomorpha) aus der Ordnung der Nagetiere (Rodentia). Ebenso wie der nah verwandte Cururo (Spalacopus cyanus) gehört er zu den Trugratten (Octodontidae). Die durchschnittliche Kopf-Rumpf-Länge beträgt 15 cm. Die Schwanzlänge beträgt 6,5 bis 13 cm. Wilde Degus wiegen voll ausgewachsen zwischen 170 und 230 g. In der Heimtierhaltung erreichen die Tiere eher ein Gewicht von 230 bis 250 g. Das gelbbraune Fell ist kurz, dicht und weich und weist die für viele Nagetiere typische Agouti-Bänderung auf. Über viele Jahre waren nur wildfarbene Degus bekannt, mittlerweile gibt es mehrere Farb- und Zeichnungsmutationen, die auch untereinander kombiniert werden können. Die Lebenserwartung beträgt etwa 6 bis 9 Jahre.

verbreitung und lebensraum

Der Degu ist endemisch in Chile: Das Verbreitungsgebiet der Art ist auf Zentralchile beschränkt und man findet sie im Bereich der westlichen Andenausläufern in den Regionen Atacama, Coquimbo, Valparaíso, Libertador General Bernardo O’Higgins und Maule bis auf eine Höhe von 1.800 m über dem Meeresspiegel.  (vgl. Roach 2015)
Hier ist das bevorzugte Habitat vor allem semi-arides, offenes Buschland. Die Vegetation ist immergrün, jedoch kann es in den Sommermonaten zu Dürreperioden kommen. Bei einer Untersuchung der Populationsdichte in verschiedenen Lebensräumen wurden 10 bis 259 Individuen pro Hektar ermittelt, wobei in den meisten untersuchten Gebieten 40 bis 80 Tiere pro Hektar nachgewiesen wurden. (Woods & Boraker 1976)

lebensweise

Octodon degus ist ein vorwiegend tagaktiver Bodenbewohner mit augeprägtem Sozialverhalten. Üblicherweise bilden zwei bis fünf Weibchen mit einem bis zwei Männchen ein hierarchisch strukturiertes Rudel mit einem festen Revier (Ebensperger, & Bozinovic 2000).
Die Tiere bewohnen selbst gegrabene Erdbauten in deren Radius sie sich auf festen Trampelpfaden bewegen und auf Futtersuche gehen. Die Futtersuche beansprucht einen großen Teil der Aktivitätszeit. Im Freiland werden ganzjährig Nahrungsvorräte in den Bau eingetragen. In den Herbst- und Wintermonaten wird bei schwindender Verfügbarkeit von Gräsern, Kräutern und frischen Trieben mehr Futter gesammelt und eingelagert. Während die Futtersuche in einem Revier von etwa 400 bis 7000 m² stattfindet (Bozinovic et al 2004), spielt sich das soziale Leben einer Degugruppe vor allem in unmittelbarer Nähe der Baueingänge ab. Hier sind Tiere mit gegenseitigem Putzen, Spielen und Sandbaden beschäftigt. Ebenso ruhen einzelne Gruppenmitglieder, während andere Wache halten. Bei einem Warnruf durch einen Artgenossen verschwinden alle Tiere des Rudels ungehend im nächsten Höhleneingang. Zu den Hauptprädatoren gehören vor allem Greifvögel und der Andenschakal (Lycalopex culpaeus).
Das bewohnte Territorium wird nur während der Paarungszeit streng verteidigt, ansonsten ist ein sozialer Austausch mit benachbarten Rudeln möglich. Laut Long 2017 errichten Männchen aus Erde, Zweigen und anderen Materialien kleine Hügel, neben von ihnen beanspruchten Baueingängen um ihr Territorium und ihren Status innerhalb der Gruppe zu markieren. So soll nach kämpferischen Auseinandersetzung zwischen Männchen der Sieger seinen Hügel vergrößern.

Üblicherweise ziehen Weibchen einen Wurf pro Jahr auf, selten folgt ein zweiter. Die Jungtiere kommen meist im Frühling zur Welt, wenn das Nahrungsangebot am größten ist. Neben dem Vatertier sind auch weitere Rudelmitglieder an der Aufzucht der Jungen beteiligt. Ebenso kommt es vor, dass nah verwandte oder einander sehr vertraute Weibchen ihre Würfe gemeinsam in einem Nest betreuen.

Was tun freilebende Degus? Beobachtungen an der Oberfläche    
Nahrungssuche 46%                                 
Wachen 32%  
Ruhen 8%  
Laufen 7%  
Körperpflege 3%  
Soziale Interaktion 3%  
Sandbaden 1%  
Graben  0.2%  

nach:  Ebensperger. & Hurtado (2005)

haltung

Degus sind sehr aktive Tiere, die sowohl sehr ausgiebig laufen, klettern und graben. Darüber hinaus sind sie berüchtigt für ihre angestrengten Nageaktivitäten. Die Unterbringung der Tiere sollte ihren Bedürfnissen und Eigenarten gerecht werden. Dies betrifft nicht nur Abmessungen und Einrichtung sondern auch das den Baustoff der Unterkunft. Käfige aus Plastik oder Holz werden sehr schnell beschädigt oder vollkommen zerstört. Es ist ratsam, von Beginn an gut belüftete Glasterrarien oder Metallvolieren zu verwenden. Für die Haltung von zwei bis drei Exemplaren werden meist Abmessungen von mindestens 100 x 50 x 100 cm (L x B x H) empfohlen (vgl. TVT 2013; BMEL 2014). Noch vor knapp 30 Jahren wurden, wie bei anderen Tierarten auch, deutlich kleinere Mindestmaße genannt: 80x40x40 cm für zwei Tiere (Sporon 1990). Für die Haltung einer größeren Gruppe, sollte jedoch mehr Platz zur Verfügung stehen. Mittlerweile gibt es einige Beispiele von großen Zimmergehegen oder Außenvolieren, die Tieren sehr viel Platz und Abwechslung bieten.

Der Bodengrund kann aus verschiedenen Streusorten, Erde-Sand-Gemisch oder Rindenmulch bestehen. Das Substrat sollte möglichst hoch eingestreut sein, damit die Tiere graben können. Zwar sind Degus keine ausgesprochenen Wühler wie Cururos oder Hamster, jedoch legen sie auch unterirdische Gänge an, oder vergraben gesammeltes Futter. Die weitere Einrichtung kann aus verschiedenen Versteck- und Klettermöglichkeiten bestehen. Zoofachgeschäfte, Baumärkte und die Natur bieten ein großes Angebot. Als Unterschlupf eignen sich vor allem große Sittich-Nistkästen, aber auch Korkröhren, Weinlagersteine aus Ton oder ein einfaches Brett auf zwei Ziegelsteinen. Steine, sandgestrahltes Rebholz, Wurzeln und Äste (z.B. Obstbaum, Weide, Birke, Buche, Eiche) sind beständige und unbedenkliche Einrichtungselemente zum Klettern und Ausschau halten. Sie fördern die Abnutzung der Krallen und das mögliche Benagen durch die Tiere ist unproblematisch. Zusätzlich sollte auch immer ein Gefäß mit Chinchillasand zur Verfügung stehen, da Degus zur Fellpflege und für das allgemeine Wohlbefinden täglich mehrmals Staubbäder nehmen. Ebenso förderlich für die Gesundheit der Tiere ist ein Laufrad oder Laufteller (Hinweise hierzu).

 

Nur wenige private Halter_innen bieten ihren Tieren Außengehege an. Dabei ist diese Form der Haltung in Mitteleuropa ohne weiteres möglich und relativ leicht umzusetzen. Wichtig ist, dass das Gehege zu allen Seiten ein- und ausbruchsicher geschlossen ist und Schutz vor extremen Witterungsbedingungen gibt. Eine überdachte und zugluftgeschützte Metallvoliere mit frostfreiem Schutzhaus an einem halbschattigen und trockenen Standort kann für Degus eine wunderbare Unterbringungsmöglichkeit sein. (Mehr zu Außenhaltung bei degupedia.de)

ernährung

In vielen Online-Communities und einigen Ratgebern finden sich Hinweise, dass Degus als Bewohner "karger Lebensräume" auch eine "karge Kost" erhalten sollten. Das Ergebnis ist, dass viele Halter_innen fast ausschließlich Heu und andere getrocknete Pflanzenteile anbieten und sich teilweise dogmatisch gegen die Gabe von Frischfutter, Getreide oder einzelne Saaten aussprechen. Hintergrund dieser Fütterungsweise ist nicht nur die nachgewiesene erhöhte Anfälligkeit für Diabetes, sondern wahrscheinlich auch eine Missinterpretation von "karg". Wie oben bereits beschrieben, ist der Lebensraum von Degus eher als mediterran einzustufen und alles andere als wüstenähnlich trocken. Es besteht also kein Grund, sich bei der Fütterung nur auf getrocknete Bestandteile zu stützen. Karge Kost ist demnach nicht ausgetrocknet, sondern hat lediglich wenig Nährwert.

 

Wilde Degus ernähren sich je nach Jahreszeit zu einem großen Teil von faserreichen Pflanzenteilen. Dies sind vor allem frische Gräser und Stauden sowie die grünen Blätter von Sträuchern. In dürren Sommermonaten suchen sie Futtergründe auf, die nicht nur getrocknete sondern auch frisch nachgewachsene Pflanzen aufweisen. Auch Samen und Rinde werden aufgenommen. (vgl. Ebensperger 2001)
Als Anpassung an einen Lebensraum der vergleichsweise wenig Frischwasser bietet, wird Flüssigkeit nicht nur durch Trinken aufgenommen, sondern auch aus der Nahrung über den Darm resorbiert. Den Tieren sollte jedoch auch bei täglicher Gabe von Frischfutter stets frisches Wasser zur Verfügung stehen.

 

Puschmann et al (2009) empfehlen eine rein vegetarische Fütterung mit Zweigen, Wurzeln, Heu, Kräutern und mit Verweis auf die Diabetesanfälligkeit Obst und Gemüse. Gumnior (2005) nennt Heu als Grundnahrungsmittel, dem täglich ein Esslöffel Trockenfutter und alle zwei bis drei Tage Frischfutter (Gemüse, Kräuter, Gräser) hinzugegeben wird. Küpfer (2007) empfiehlt als Grundfutter Gras, Heu, Wiesenpflanzen oder belaubte Äste, das höchstens mit Samen oder einer Trockenfuttermischung ergänzt wird. Die Ansichten gehen also auseinander und so besteht auch bei den Halter_innen, die sich in Online-Communities aufhalten keine Einigkeit darüber, ob nun Trockenfutter oder Frischfutter besser ist, ob man Gemüse füttern sollte oder nicht, ob Pellets dem Tier schaden und wie sinnvoll "grainless" Produkte sind.
Ich füttere größtenteils frische Gräser, Kräuter und Blätter sowie Heu und getrocknete Kräuter. Dazu bekommen die Tiere täglich verschiedene Gemüsesorten, Salat oder gekeimte Saaten sowie fertiges Degufutter aus dem Zoofachhandel.

Geeignete Frischfuttersorten können dem Artikel Frischfutter für Cururos entnommen werden. Ebenso stellt die Webseite www.degupedia.de mit Wiki und Forum ein erstklassiges Verzeichnis von Futterplanzen dar.

Neben Frischfutter kann auch täglich Trockenfutter gegeben werden. Der Einzelhandel hält Degufutter von verschiedenen Herstellern bereit. Hier handelt es sich größtenteils um Mischungen aus verschiedenen getrockneten Kräutern, die wahlweise mit getrocknetem Gemüse oder Samen versetzt sind. Ebenso gibt es verarbeitetes Fertigfutter in einheitlich gepresster Form. Long empfiehlt bei der Auswahl von Fertigfutter auf die Nährwerte zu achten:

Nährwertempfehlung für Degu-Fertigfutter    
Protein max. 15 %                   
Fett max. 4%  
Rohfaser min. 15%  
Zucker insgesamt max. 5%  
     
Calcium-Phosphor-Verhältnis 2:1  

vgl. Long 2017

Degus sind ähnlich unseren heimischen Wildkaninchen sehr auf vegetative Pflanzenteile eingestellt und dabei dennoch anpassungsfähig. Eine optimale Ernährung lässt ihnen die Möglichkeit zwischen vielen Futtermitteln zu wählen und das aufzunehmen, was sie brauchen.
Wie bei allen Nagetieren wachsen auch bei Degus die Zähne kontinuierlich nach. Um Gebissprobleme zu vermeiden, muss vor allem über die Ernährung ein kontinuierlicher Zahnabrieb gewährleistet sein. Die weit verbreitete Empfehlung, hartes Brot zu füttern, ist hier kaum hilfreich. Brot ist weder gesund, noch hart genug, dass sich die Zähne daran abschleifen würden. Der optimale Abrieb ergibt sich nur durch das Mahlen der Zähne aufeinander. Das bedeutet, die Fütterung sollte aus faserreichen Pflanzenteilen bestehen, die lange gekaut und von von denen viel aufgenommen wird.

fortpflanzung

Degus sind etwa mit einem Jahr vollständig ausgewachsen. Jedoch sind sie bereits mit 7 Wochen (Weibchen) bzw. 12 Wochen (Männchen) fortpflanzungsfähig und Weibchen haben durchschnittlich bereits mit einem halben Jahr ihren ersten Wurf. Das durchschnittliche Gewicht bei der ersten Paarung im Freiland ist laut Long 205 Gramm. Als Mindestgewicht für die erste Verpaarung wird 220 Gramm empfohlen.
Die durchschnittliche Wurfgröße benennen mehrere Autor_innen mit 5 - 7 Jungtieren. Ergebnisse einer Wurfgrößenanalyse bei deutschsprachigen Deguzuchten ergaben durchschnittlich 4,13 Junge pro Wurf. (Kräh 2015)
Weitere Hinweise zur Fortpflanzung und Zucht finden sich in der Literaturliste und hier im Blog

mehr

Bozinovic, F., Bacigalupe, L., Vasquez, R., Visser, H., Veloso, C. & Kenagy, G. (2004): Cost of living in free-ranging degus (Octodon degus): Seasonal dynamics of energy expenditure. Comparative Biochemistry and Physiology A, 137: S. 597–604.

 

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) (2014): Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren. http://www.bmel.de/DE/Tier/Tierschutz/Tierschutzgutachten/_texte/HaltungSaeugetiere.html

 

Ebensperger, L. & Bozinovic, F. (2000): Energetics and burrowing behaviour in the semifossorial degu Octodon degus (Rodentia: Octodontidae). Journal of Zoology, 252: S. 179–186.

 

Ebensperger, L. (2001): No infanticide in the hystricognath rodent, Octodon degus: Does ecology play a role? Acta Ethologica, 3: S. 89–93.

 

Ebensperger, L. & M. J. Hurtado (2005): Seasonal changes in the time budget of degus, Octodon degus. Behaviour, 142 (1): S. 91–112

 

Gumnior, S. (2005): Degus. Biologie, Haltung, Zucht. Natur und Tier-Verlag

 

Kräh, S. (2013): Degu-Farbgenetik

 

Kräh, S. (2015): Scheckung bei Degus ist homozygot letal

 

Kräh, S. (2016): Zuchtstandard für Degus

 

Kräh, S. (2016): Fortpflanzung von Degus

 

Küpfer, D. (2007): Degu Ratgeber. http://degu.re4.ch/ratgeber/ernaehrung_grundlagen.html

 

Long, C.V. (2017): The Wild Degu Community. http://www.degutopia.co.uk/degucomm.htm

 

Puschmann, W. , D. Zscheile, K. Zscheile (2009): Zootierhaltung. Tiere in menschlicher Obhut. Säugetiere. Harri Deutsch Verlag

 

Roach, N. (2016): Octodon degus. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T15088A78321302.

 

Sporon , A. (2016): Unser Degu. Kosmos Verlag

 

Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) (2013): Degu. http://www.tierschutz-tvt.de/index.php?id=merkblaetter

 

Woods, C. & D. Boraker (1975): Octodon degus. Mammalian Species, 67 (5).

 

http://www.zootierliste.de/